Yogikro Oma

Wie das Yogikro berühmt wurde

Die Sonne schien grell über das blaue Meer.
Das machte die kleine Lou ein bisschen träge.
Sie langweilte sich.
„Ich könnte ja zum Yogikro gehen!“, dachte sie sich und rannte runter zu den Dünen.
Dort wohnte nämlich das Yogikro.
Lou sah als erstes seinen grünen Bauch, von wo aus die zwei sehr kurzen Hinterbeine nach vorne zeigten. Dann die Vorderkrallen, die von hinten in den warzigen Körper drückten. Und schließlich entdeckte sie seine großen Zacken entlang des Rückens.
Das war ihr Yogikro!
„Guten Morgen!“, rief Lou von weitem. „Warte auf mich!“
„Hallo Lou-hou!“, rief es zurück. „Da bist du ja endlich mal wieder!“
Seine Stimme klang dumpf und wie von weit her.
Das Yogikro stand auf seinen Schultern, den grünen Schwanz in die Höhe gereckt.
Das Yogikro war ein Krokodil, das Yoga machte!
So einen Freund hatte nicht jede!
„Was machst du heute?“, wollte Lou wissen.
„Die Kerze!“, erklärte das Yogikro. „Mach doch mit!“
Lou schwang ihre Beine in die Luft und hob mit der Hüfte ab.
Ah! Sofort strömte ein herrliches und frisches Lebensgefühl in ihre Glieder.
Nach einer Weile kam das Yogikro aus der Kerze heraus und setzte sich mit gekreuzten Beinen in den Sand.
Lou plumpste daneben.
„Von der Kerze bekomme ich immer so einen schrecklichen Hunger, Lou-hou!“, sagte das Yogikro traurig. Es sah Lou mit seinen hellen Augen an, die hinter dicken Lidern hervorlinsten.
Lou wusste, dass das Yogikro nur sehr selten etwas zu beißen bekam.
Zu selten!
Aber vielleicht könnten sie ja mal zusammen in ein richtiges Restaurant gehen, dachte sie.
„Da vorne gibt es Crêpes!“, sagte Lou deshalb, und zeigte in Richtung Strand.
Der Magen des Yogikro knurrte laut. Sehr laut.
„Bei Pierrette. Ich weiß. Aber meinst du etwa, die lassen da ein Krokodil rein?“
Das Yogikro seufzte. Sehr tief.
„Die haben doch alle Angst vor mir! Schon in Paris versuchten sie, mich einzufangen …“
Jetzt lief sogar eine kleine Träne über sein warziges Gesicht.
Lou hatte großes Mitleid mit dem hungrigen Yogikro.
Sie überlegte.
Schließlich hatte sie eine Idee.
„Wir verkleiden dich!“, rief sie. „Dann merkt niemand, dass du ein Krokodil bist. Und wir können zusammen essen gehen.“
„Das ist ja eine ex-ze-llente Idee, Lou-hou!“ Das Yogikro freute sich.
Lou holte ein buntes Tuch aus ihrer großen Tasche.
Sie warf es über das Yogikro. „Jetzt siehst du aus wie eine alte Dame!“
Sie zückte eine riesige Brille, die sie mal auf dem Flohmarkt gefunden hatte.
„Und damit hast du riesige Oma-Augen!“
Das Yogikro sah an sich herunter.
„Hm. Ich bräuchte noch ein Paar chice Schuhe, finde ich.“
„Jetzt wirst du aber anspruchsvoll!“ fand Lou.
Aber Lou fand in ihrer großen Strandtasche noch rosafarbene Flipflops!
Sie stülpte dem Yogikro ihre Flipflops über seine dicken Krallen. „Danke! Die sind wirklich sehr elegant!“, freute sich das Yogikro.
Lou hielt ihm einen kleinen Taschenspiegel hin.
„Ich sehe ja aus wie meine eigene Oma!“, meinte das Yogikro.
„Wir sagen besser, dass du meine Oma bist.“, meinte Lou.
Das Yogikro zog das bunte Tuch noch tiefer über sein Maul.
„Vor allem darf niemand meine Eckzähne sehen. Die Leute würden sich wieder fürchterlich erschrecken!“
„Und du darfst auf keinen Fall sprechen! Deine Stimme ist viel zu tief für eine Oma-Stimme “, mahnte Lou.

So gingen sie zu Pierrettes Crêperie.
Lou stellte ihr gleich das Yogikro vor.
„Das ist meine Oma! Sie heißt Madame Crocro.“
Pierrette verneigte sich leicht. „Willkommen, Madame Crocro. Sie wünschen?“
„Einen ganz, ganz großen Cr ….“ entfuhr es dem Yogikro. O nein! Schnell gab
Lou ihm unter dem Tisch einen heftigen Tritt gegen seine kurze Hinterkralle und sagte:
„Mit Camembert, meint sie!“
Pierrette nickte und verschwand.
„Das ist gerade nochmal gut gegangen!“, flüsterte Lou. „Du darfst doch nichts sagen!“
Das Yogikro erschrak und hob seine zwei Vorderkrallen an die Schnauze. „Tschuldigung!“

Schließlich brachte Pierrette die Teller. Als das Yogikro seinen großen Crêpe sah, rief es vor Freude laut: „Lecker! Vor-züg-…“ – O nein! Diesmal kniff Lou dem Yogikro flink in seinen warzigen Bauch.
Pierette wunderte sich.
„Deine Oma hört sich ja fast an wie ein Krokodil!“, bemerkte sie.
Das Yogikro zog seine Lippen nach innen, um all seine Zähne zu verbergen.
Es sah auf seinen Crêpe. Der sah groß-artig aus. Noch einmal knurrte sein Magen laut.
„Deine Oma scheint ja großen Hunger zu haben!“, stellte Pierrette fest.
Das Yogikro wollte höflich sein und lächelte.
„Sie hat seit Wochen nichts gegessen!“, erklärte Lou schnell.
Da blitzten kurz Yogikros vier spitze Eckzähne auf.
Und … zack! schnappte das Yogikro nach dem Crêpe. Mit einem einzigen Happs verschwand der ganze, große französische Pfannkuchen tief in seinem Krokodilsschlund.
Pierrette staunte nicht schlecht.
Aber leider passierte noch etwas. Das Yogikro musste nämlich rülpsen.
Ganz laut schallte es heraus und die Wände erzitterten.
Lou zuckte zusammen.
Schnell verdeckte das Yogikro sein Maul mit seinen zwei kleinen Vorderkrallen.
Es war aber zu spät.
Pierrette hatte bereits seine Eckzähne gesehen.
Und sie hatte seinen grässlichen Rülpser gehört.
Und da erschrak sie ganz fürchterlich.
„Du b-b-b-b-ist ja g-g-g-g-ar nicht die O-o-o-oma von L-l-l-l-ou!“, stotterte sie.
Ihr Tablett fiel zu Boden.
Sie schrie.
Und rannte los.
„Hilfe! Unter uns ist ein waschechtes Krokodil! Es hat sogar gerülpst! “

Als die anderen Gäste hörten, dass ein rülpsendes Krokodil in der Crêperie war, erschraken sie. Mit einem lauten Knall fielen Stühle um, Kinder rannten nach draußen, Männer kreischten und Frauen zückten mutig Netze und Kescher.
Das arme Yogikro schaute mit seinen großen Oma-Augen traurig in die Menge.
Aber Lou stellte sich mutig vor die Leute und rief:
„Halt! Das ist kein Krokodil! Hier bleiben! Das ist ein Yogikro! Es kann Yoga machen! Sogar den Kopfstand!“

Plötzlich wurden alle neugierig. Ein Yogikro! Davon hatten sie ja noch nie gehört!
Ein paar unerschrockene Leute näherten sich wieder.
Neugierige Kinder kamen zurück.
Pierrette schaute von ihrer Küche aus zitternd zu.
Da stellte das Yogikro seinen Kopf auf die Fliesen.
Es schwang sich in einem weiten Bogen elegant nach oben.
Reckte seinen grünen Schwanz in die Höhe, Zacken nach hinten …
und blieb kerzengerade stehen.
Die Menge murmelte und staunte.
„Ein Yogikro, das auf dem Kopf steht!“
„Es bewegt sogar seine Beine!“
„Unglaublich!“
Alle ah-ten und oh-ten.

Es sprach sich schnell herum. Im kleinen Dorf am Meer und darüber hinaus, sogar bis nach Paris.
Dass bei Pierrette ein Yogikro mit nur einem einzigen Happs einen ganzen Camembert-Crêpe vertilgte.
Und zur Verdauung einen Kopfstand machte.
Und nun bildeten sich vor Pierrettes Crêperie lange Schlangen.
Der Laden brummte.
Schon bald zogen sie durchs ganze Land.
Pierette nahm ihre Crêpes-Platte mit, Lou nähte die Kostüme, und das Yogikro führte den Kopfstand vor.
So wurden sie berühmt.
Und niemand hatte jemals wieder Angst vor dem Yogikro.

Christiane Bartelsen

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